DER SCHULAUFBAU

Lebensnahe Bildung

Der Aufbau einer eigenen Lehranstalt in einem kleinen Siedlungsverband bringt besondere Erfordernisse mit sich. Die Hauptherausforderung besteht darin, ein breites Spektrum von Heranwachsenden altersgerecht zu unterrichten und dabei gleichzeitig, aus Kostengründen, die Zahl von Lehrkräften gering zu halten.

Positive Lernanreize im Unterricht

Natürlich geht es auch darum, das Lernen (Arbeiten) dem Schüler „schmackhaft“ zu machen. Das geht durch Spannung, Lebensnähe, Erlebbarkeit und Praxis. Die konkreten Maßnahmen sind ebenso vielfältig, wie sie in staatlichen Schulen oft übersehen werden, obwohl all das vergleichsweise leicht zu stemmen ist:

  • Sportliches Lernen (z.B.Wissen/Können-Olympiaden)
  • Spielerisches Lernen (z.B.themenbezogenes Trivial Pursuit)
  • Spannendes Lernen (z.B.Kriminalistik, etwa im Rahmen „Angewandter Natur-Wissenschaft“. Mathematik: Lösung des Rätsels der ägyptischen Pyramiden)
  • Avantgardistisches Lernen (Neuland erforschen, entdecken. „Wie man den Krebs besiegt“)
  • Praktisches Lernen (z.B. Ballonbau in Physik)
  • Identifikables Lernen (z.B.Streitgespräch, Rollenspiel)
  • Alltags-&Naturnahes Lernen („Warum fällt der Tau“)

Altersgemischte Klassen

Ein organisatorisches Grundproblem, das typisch für jede Dorfschule ist, bleibt. Denn hier „beißen“ sich die stets gleichen Eckdaten miteinander: Einer Zahlen seitig stark begrenzten Lehrerschaft steht eine hohe Alterssplitterung in der Schülerschaft gegenüber, bei teilweise schwach besetzten Klassen. Wie finden die Pädagogen da durch? Hier kommt der Ansatz der Ecole d`Humanité zum Tragen: Altersgemischte Klassen. Die Lösung ist ein System, in welchem der Lehrer Schüler mehrerer Jahrgänge in einem Klassenverband gemeinsam „altersgerecht“ unterrichtet.

Achtsames Arbeiten in der Stille

Arbeitsgruppen werden still mit Aufgaben beschäftigt, wobei darauf zu achten ist, dass die Ausbildungsstätte nicht zu einer „Tuschelschule“ wird, in der vornehmlich Hausaufgaben abgewickelt werden. Getrennte Klassen, in denen mehr oder weniger Gleichaltrige ihren spezifischen Erfordernissen und Wissensständen entsprechend unterrichtet werden, erlauben demgegenüber einen offensiveren, kommunikativen und bewegten Umgang mit dem Lehrstoff, von dem die Schülergruppen profitieren, ohne andere zu stören. Eine Alternative wäre der Intervallunterricht.

Versetzte Zeitachsen und Parallelunterricht

Für den Umstand, dass die Schülerzahl steigt, kann das folgende Konzept hilfreich sein, in welchem die Pädagogen verschiedene Gruppen in jeweils eigenen Räumen auf einer versetzten Zeitachse parallel unterrichten. Wobei es dann zu einem Mix Lehrerkraft-vermittelten und Selbst- bzw. Gruppen gerichteten Lernens kommt. „Intervallunterricht“ ist ein Weg, diese Bausteine zu ergänzen und aus einer vermeintlichen Strukturschwäche heraus ein Unterrichtssystem zu schaffen, das den gängigen Erziehungsmethoden sogar in verschiedener Hinsicht überlegen erscheint.

Vom Hören-zum Anwenden-zum Bewähren. Vom Lehrer-zur Gruppe-zum EinzelSchüler

Der Intervall-Unterricht behält den Frontalunterricht lediglich bedingt bei, indem er ihn mit 20 Minuten in einem Zeitfenster optimiert, welches die Aufmerksamkeitsspanne der Schüler ideal bedient. Anschließend wechselt der die Thematik vertiefende oder weiterentwickelnde Lehr-, Lern- und Arbeitsprozess vom Pädagogen (der den Raum verlässt, um sich an die nächste Klasse zu richten) auf die Schülerschaft, welche 20 Minuten individuell und/oder innerhalb zweier/mehrerer Gruppen mit einer Problemlösung beschäftigt wird. Im abschließenden dritten 20-Minuten-Block „bewähren“ sich die Schüler individuell oder als Gruppe, indem sie dem Lehrer und/oder der zweiten Gruppe ihre Erkenntnisse und Lösungswege vermitteln.

Wie man das organisiert

Es geht wie folgt: Drei verschiedene Altersklassen sitzen in benachbarten Klassenzimmern und treten den Unterricht leicht zeitversetzt an. So hat der Lehrer die Möglichkeit, sich jeder neu eintreffenden Klasse nacheinander mit dem einführenden Frontalunterricht zuzuwidmen. Anschließend wird die Klasse still beschäftigt. Am Ende der Stunde(n) finden in den beiden zuletzt betreuten Klassen Bewährungen statt, die der Lehrer wiederum betreut. Im Folgenden ein Beispiel des Unterrichts dreier verschiedener Klassen durch die Lehrer „Meier“ und „Müller“:

Klasse 1 Klasse 2 Klasse 3
8.00-8.20 > Frontal Meier
8.20-8.40 > Hausaufgabe > Frontal Meier
8.40-9.00 > Hausaufgabe > Gruppendynamik > Frontal Meier
9.00-9.20 > Frontal Müller > Bewährung (begleitet) > Gruppendynamik
9.20-9.40 > > Frontal Müller > Bewährung (begleitet)

Aufgaben in den unbeaufsichtigten Blöcken

  • Der Lehrer baut in seinen Vortrag (oder in den in Klasse 1 im 2. Abschnitt frontal per Filmvorführung weiterlaufenden Unterricht) einen Fehler ein, den die Schülergruppen finden müssen
  • Der Lehrer fordert die Entwicklung einer Lösung oder eine praktische Umsetzung für ein von ihm aufgeworfenes Grundproblem
  • Der Lehrer stellt an zwei Gruppen verschiedene Zielforschungsanliegen. Diese verbinden sich im Schlussvortrag zu einem Ganzen oder müssen von der Schülerschaft in diese Einheit überführt werden
  • Zwei Schülergruppen überlegen sich für die jeweils andere eine möglichst schwer zu lösende Aufgabenstellung, die dann bei Anwesenheit des Lehrers offen diskutiert wird.

Vortrag oder Befragung Einzelner oder der Gruppe

Schüler-Schüler-Olympiaden, bei denen gleichstarke Vertreter beider Seiten in konstruktiver Kontroverse gegeneinander antreten. Für die erst unterrichtete Klasse, welche die Lehrkraft nur während der einführenden 20 Minuten betreuen kann, empfiehlt sich als weiterführende Arbeit

  • die Filmvorführung und daran anschließend eine schriftliche Bearbeitung
  • Zwei Gruppen bekommen zu einem Grundproblem eine jeweils andere Aufgabenlösung vorgegeben, die zu erledigen ist. Nach 20 Minuten wird das Klassenzimmer durch eine Trennwand geteilt, und ein wechselnder Schüler jeder Gruppe teilt der jeweils anderen die eigenen Forschungswege/Ergebnisse mit und beantwortet Fragen.
  • Andere Wege siehe hier: Kooperatives Lernen

Ich und Wir: Einzel- und Gruppen-Siege

Der Intervall-Unterricht ist wie gesehen darauf abgestellt, erst das Stundenthema einzuführen, die Schülerschaft dann in Selbstarbeit in dieses zu involvieren, um abschließend die Ergebnisse abzuprüfen. Frontalunterricht durch den Lehrer und autonome Beschäftigung der Klasse in Einzel- oder Gruppenarbeit ergänzen also einander, und das bei Wegfall der meisten unter die „Nachteile des bestehenden Schul-Systems“ genannten Negativa, die für die üblichen Arbeitsweisen sonst typisch sind.

Kooperatives, intraedukatives Lernen

  • Die Aufteilung des Lernvorgangs in drei gleich große Einheiten schafft kurzweilige Abwechselung und kommt dadurch Aufmerksamkeit-schwachen Schülern zugute.
  • Dabei genießen die Schüler gerade beim Anwenden von Gruppenlernen innerhalb des zweiten Blocks, der Problemlösung, alle Vorteile des kooperativen, intraedukativen Lernens. Frei nach der Erkenntnis, dass das Gegenteil von zentraler Belehrung durch das „selber und miteinander Lernen“, dem „Learning by doing“, gebildet wird.
  • Der Verantwortungsspielraum des Schülers ist hier im besonderen Maße erhöht, da ihm innerhalb der Arbeitsgruppen auch vermittelnde und mit zu erziehende Funktionen zufallen. Ein Vorgehen, das der römische Philosoph und Staatsmann Seneca auf die Formel homines, dum docent, discunt (Menschen lernen, während sie lehren) brachte.

Im Sinne des Teamerfolgs

Die Punkte 2. und 3. kommen am besten zum Tragen, wenn in Phase 3 „Schwächere“ zur abschließenden „Bewährung“ herangezogen werden. Weil diese nicht nur die Entwicklung der Lösung innerhalb ihrer Gruppe verfolgen können, sondern dann zudem – im Sinne des „Teamerfolgs“- auch noch vor dem „Antreten“ durch die Stärksten gebrieft werden – wovon die „Schnelleren“ sozial profitieren, da ihnen hier spielerisch die Lehrerrolle zufällt. In der sie wirklich „gut“ sein müssen, da der Auftritt ihres Mannschaftskollegen sonst daneben geht.

Schlüsselqualifikationen

Der Intervall-Unterricht ist gerade in der Gruppenvariante darauf angelegt, bei der Schülerschaft die Eigenschaften wie Methodenkompetenz, Kommunikationsfähigkeit, Teamfähigkeit, Kreativität, Eigen- und Führungsinitiative, Verantwortungsbewusstsein frühzeitig und wirksam zu fördern. Diese Qualifikationen können nur schwer von Schülern erworben werden, wenn ausschließlich der Lehrer exzerpiert, strukturiert, interpretiert, analysiert, argumentiert, organisiert, Probleme löst oder den Unterricht in sonstiger Weise managt und dominiert.